Er betrachtete die um sich greifenden Flammen und versuchte abzuschätzen, wie weit das Feuer kommen würde, bis er das brennende Papierzeug loslassen müßte. Die Flammen leckten an seinen Fingern und versengten die Haare auf seinem Handrücken, bis er die Tüte schließlich ins Gras fallen ließ, wo sie zu Asche verbrannte. Er trat die Glut mit dem Stiefel aus, vergewisserte sich, daß sie erloschen war, und verstreute die Asche. Mein Gott, dachte er, jetzt war er schon sechs Monate aus dem Krieg zurück und verspürte immer noch den unbe-wußten Zwang, die Reste einer Mahlzeit zu vernichten, um keine Spuren zu hinterlassen.
Er schüttelte den Kopf. Es war ein Fehler gewesen, an den Krieg zu denken. Es weckte sofort andere Kriegserinnerungen in ihm: die schlaflosen Nächte, das Erwachen beim kleinsten Geräusch, die Notwendigkeit, im Freien zu übernachten – und das Loch, in dem man ihn gefangen gehalten hatte, das alles war noch frisch in seiner Erinnerung.
»Du solltest dir etwas anderes ausdenken«, sagte er und wurde sich plötzlich bewußt, daß er laut mit sich selbst sprach.
»Was machst du jetzt? Wohin soll es gehen?« Er blickte die Straße hinunter, die in die Stadt führte, dann in die entgegengesetzte Richtung – von der Stadt weg –, und sein Entschluß stand fest. Er packte den Strick, mit dem sein Schlafsack zu-sammengebunden war, schlang ihn über die Schulter und machte sich wieder auf nach Madison.
Am Fuße des Berges kurz vor der Stadt war die Straße von Bäumen gesäumt. Ein Teil der Blätter war grün, andere rötlich gefärbt. Die rötlichen Blätter waren an den Ästen, die über die Straße hingen. Die Autoabgase, dachte er. Die Abgase lassen sie sehr bald absterben.
Hier und dort lagen tote Tiere am Straßenrand – wahrscheinlich überfahren. Aufgedunsen und von Schmeißfliegen um-schwärmt, lagen die Kadaver in der Sonne. Zuerst sah er eine 18
Katze mit Tigerstreifen – sie sah sogar aus, als sei sie einmal eine recht hübsche Katze gewesen, dann einen Cockerspaniel; etwas weiter lag ein Kaninchen und als nächstes kam ein Eichhörnchen. Das war auch so etwas, was der Krieg mit sich gebracht hatte. Tote Geschöpfe erregten seine Aufmerksamkeit mehr als früher. Keinen Abscheu – nur Neugierde, wie sie wohl umgekommen waren.
Er ging auf der rechten Straßenseite, vorbei an den Kada-vern, und hielt hin und wieder den Daumen hoch, um ein Auto anzuhalten. Seine Kleidung war mit gelbem Staub bedeckt, Haar und Bart verfilzt und schmutzig. Die Leute, die vorbei-fuhren, warfen ihm nur einen kurzen Blick zu, und keiner hielt an. Warum versuchst du nicht, einen etwas besseren Eindruck zu machen? dachte er. Rasiere dich doch und lasse dir die Haare schneiden. Bring deine Kleidung in Ordnung. Dann wird dich eher einer mitnehmen. Darum: Rasierzeug ist nur Ballast, der dir hinderlich sein würde, und ein Haarschnitt kostet Geld, das du für Essen brauchst. Und wo sollst du dich rasieren? Man kann schließlich nicht im Freien übernachten und immer noch wie eine Modepuppe aussehen. Aber wozu eigentlich die ganze Landstreicherei und das Übernachten in den Wäldern? Und damit war er in Gedanken wieder im Krieg. Denk doch mal an was anderes, sagte er sich. Warum änderst du nicht die Richtung und haust einfach ab? Warum gehst du wieder in diese Stadt zurück? Die ist doch gar nichts Besonderes. DARUM: Weil ich selbst entscheiden will, ob ich bleibe oder nicht. Weil kein anderer bestimmen soll, was ich zu tun habe.
Dabei ist dieser Bulle netter, als die anderen waren. Vernünftiger. Warum ihn ärgern? Tue doch, was er sagt.
Nur weil jemand lächelt, während er mit Scheiße nach mir wirft, heißt das noch lange nicht, daß ich mir alles von ihm gefallen lassen muß! Und wenn er noch so nett ist – es kommt darauf an, was er tut, nicht, was er sagt.
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Allerdings siehst du wirklich ein bißchen heruntergekommen aus. So, als ob du ihm Schwierigkeiten machen könntest. Da hat er schon recht.
Aber ich auch! In fünfzehn dieser Scheißstädte ist mir das gleiche passiert. Das hier ist die letzte! Ich lasse mich nicht länger herumschubsen.
Warum gehst du dann nicht hin und erklärst ihm die Sache?
Und machst dich ein bißchen sauber. Wozu dieser ganze Ärger? Der alte Kampfgeist etwa? Willst du ihm zeigen, was für ein Kerl du bist?
Nach allem, was ich mitgemacht habe, bin ich weder ihm noch anderen eine Erklärung schuldig.
Erzähle ihm doch wenigstens von deiner Tapferkeitsmedaille und was sie dich gekostet hat.
Jetzt war es zu spät, seine Gedanken in andere Bahnen zu lenken. Er befand sich wieder im Krieg.
4
Teasle saß da und wartete auf ihn. Gleich nachdem er an ihm vorbeigefahren war, hatte er in den Rückspiegel geblickt und ihn beobachtet. Aber der Junge hatte sich noch nicht auf den Weg gemacht. Er stand immer noch am Straßenrand, wo Teasle ihn abgesetzt hatte, und sah dem Streifenwagen nach. Sein Bild im Rückspiegel wurde immer kleiner, und immer noch stand er dort, dem Streifenwagen nachblickend.
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